Das Arbeitszeugnis ist ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Arbeitsrechts. Es dient nicht nur als Nachweis für die Dauer der Beschäftigung, sondern gibt auch Aufschluss über die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers während seiner Tätigkeit. Da das Arbeitszeugnis oft codierte Formulierungen enthält, ist es für den Arbeitnehmer von großer Bedeutung zu wissen, wie man es richtig interpretiert.
1. Was ist das Arbeitszeugnis?
Das Arbeitszeugnis ist ein Dokument, das einem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgestellt wird. Es kann in zwei Arten unterteilt werden: das einfache Zeugnis, das nur Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthält, und das qualifizierte Zeugnis, das zusätzlich Auskünfte über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers gibt.
2. Warum ist das Arbeitszeugnis wichtig?
In Deutschland legen viele Arbeitgeber großen Wert auf das Arbeitszeugnis, wenn sie potenzielle Kandidaten bewerten. Ein positives Zeugnis kann die Chancen eines Bewerbers auf eine neue Stelle erheblich verbessern. Daher ist es wichtig, das Zeugnis korrekt zu interpretieren und eventuelle Unklarheiten mit dem ehemaligen Arbeitgeber zu klären.
3. Codierung im Arbeitszeugnis
Die Formulierungen in deutschen Arbeitszeugnissen sind oft codiert. Diese Codierungen entstehen durch das gesetzliche Gebot, dass das Zeugnis „wohlwollend“ formuliert sein muss. Dies bedeutet, dass negative Bewertungen oft durch die Abwesenheit von positiven Formulierungen oder durch spezifische Phrasen dargestellt werden.
Einige Beispiele für solche Codierungen:
- „Er hat sich bemüht“ – Dies deutet oft auf eine unzureichende Leistung hin.
- „Sie war eine stets zufriedenstellende Mitarbeiterin“ – Dies bedeutet oft, dass die Leistung nur durchschnittlich war.
- „Er war stets pünktlich“ – Dies kann darauf hinweisen, dass es bei anderen Aspekten der Arbeit Probleme gab.
4. Wie interpretiert man ein Arbeitszeugnis richtig?
Um ein Arbeitszeugnis korrekt zu interpretieren, sollte man auf folgende Aspekte achten:
- Die Reihenfolge der genannten Fähigkeiten und Qualitäten kann darauf hinweisen, welche am meisten geschätzt wurden.
- Das Fehlen bestimmter positiver Formulierungen kann genauso aufschlussreich sein wie das, was tatsächlich geschrieben steht.
- Bei Unklarheiten oder Zweifeln ist es oft hilfreich, einen Experten für Arbeitsrecht oder einen Berufsberater zu konsultieren.
5. Rechte des Arbeitnehmers
Jeder Arbeitnehmer in Deutschland hat das Recht auf ein korrektes und wahres Arbeitszeugnis. Wenn ein Arbeitnehmer der Meinung ist, dass das Zeugnis nicht seine wahren Leistungen und Fähigkeiten widerspiegelt, hat er das Recht, eine Korrektur oder Neuausstellung zu verlangen.
6. Struktur eines Arbeitszeugnisses
In der Regel folgt das Arbeitszeugnis einer bestimmten Struktur:
- Einleitung: Hier finden sich Informationen zur Dauer des Arbeitsverhältnisses, zur Position und zu den Hauptaufgaben des Mitarbeiters.
- Leistungsbeurteilung: Dieser Abschnitt bewertet die fachlichen Kompetenzen und die Qualität der Arbeitsleistung des Mitarbeiters.
- Verhaltensbeurteilung: Hier wird das Sozialverhalten des Mitarbeiters sowohl im Team als auch gegenüber Vorgesetzten und gegebenenfalls Kunden beschrieben.
- Schlussformel: In der Regel enthält dieser Abschnitt Wünsche für die Zukunft und Dank für die geleistete Arbeit. Hier kann auch die Gründe für das Ausscheiden genannt werden.
7. Besondere Formulierungen und ihre Bedeutung
Einige Phrasen im Arbeitszeugnis können besonders aufschlussreich sein:
- „Zu unserer vollen Zufriedenheit“: Dies deutet auf eine befriedigende Leistung hin.
- „Zu unserer allergrößten Zufriedenheit“: Diese Formulierung bescheinigt eine sehr gute Leistung.
- „Hat die ihm übertragenen Aufgaben erfüllt“: Hierbei handelt es sich meist um eine ausreichende bis mangelhafte Bewertung.
8. Wie gehe ich vor, wenn ich mit meinem Arbeitszeugnis nicht einverstanden bin?
Wenn Sie der Meinung sind, dass Ihr Arbeitszeugnis nicht korrekt ist, ist der erste Schritt, mit Ihrem ehemaligen Arbeitgeber zu sprechen. Erklären Sie Ihre Bedenken und fragen Sie nach einer Überarbeitung. Bei Uneinigkeit kann auch eine rechtliche Beratung sinnvoll sein. In einigen Fällen kann es zu einem gerichtlichen Verfahren kommen, um ein gerechtes Zeugnis zu erlangen.
9. Zusammenarbeit mit einem Experten
Da Arbeitszeugnisse in Deutschland oftmals codiert sind, kann es ratsam sein, das Zeugnis von einem Experten überprüfen zu lassen. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht oder ein Berufsberater kann die Formulierungen analysieren und Ratschläge zur weiteren Vorgehensweise geben.
Das Verständnis für das Arbeitszeugnis in Deutschland ist entscheidend, um zukünftige Karriereschritte zu planen und um sicherzustellen, dass die Bewertungen der vergangenen Arbeit korrekt und fair sind. Mit einem klaren Verständnis für die hinter den Worten verborgenen Bedeutungen können Arbeitnehmer sicherstellen, dass sie die Anerkennung und Wertschätzung erhalten, die sie verdienen. Es ist immer ratsam, proaktiv zu sein und bei Bedarf professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.